



Kontrollzwang
In erster Linie bin ich ja bemüht, mich selbst unter Kontrolle zu behalten. Wenn ich unter Menschen bin, will ich auf keinen Fall unangenehm auffallen.
Sobald sich die ungeteilte Aufmerksamkeit auf mich richtet, egal, ob positiv oder negativ, wird es mir total ungemütlich und ich will nur noch weg. Und untertauchen.
Dank meiner Selbsthilfegruppen habe ich inzwischen den Mut, das auszusitzen. Ich bin längst nicht mehr so unsicher wie ich mal war. Nur, sobald einer an meiner Außenhaut kratzt, ist sie sofort wieder da, meine altvertraute Unsicherheit..
Seit Jahren rede ich mir nun schon ein, dass das einzige, was mir Schutz und Sicherheit bietet, meine direkte Offenheit ist.
Ich muss ehrlich von mir erzählen, ohne Schnörkel.
Damit fahre ich bisher ganz gut.
Auch will ich mir nun nicht einreden, dass meine Offenheit vielleicht auch mal gegen mich verwendet werden könnte. Nein, eher glaube ich, dass diese Ehrlichkeit auch mein Schutzschild ist und verantwortlich bin einzig und allein ich selbst für das, was ich von mir preis gebe.
Nun mag es eigenartig klingen, dass ich zu meinem Mann „berechnetes“ vertrauen gefunden habe – ist aber typisch für mich.
Bisher habe ich an meinen Partnern früher oder später immer Anzeichen entdeckt, wo sie mein Vertrauen mit Füßen getreten haben in irgendeiner Form.
Es gelang ihnen, mich als ihrer unwürdig zu erweisen, indem sie mich klein hielten und ich das nicht zu ändern vermochte. Sie gaben vor, mich zu lieben und behandelten mich wie einen Feind.
Da wird man vorsichtig und noch misstrauischer.
Nach meiner letzten Beziehung habe ich mir vorgenommen, dass es nicht wieder soweit kommen darf, dass man voreinander die Achtung verliert.
Meinem Mann ist die Liebe zu mir so ernst, dass er bereit ist mit mir durch “dick und dünn“ zu gehen, zu reden, wenn geredet werden muss und mich so zu achten, wie er von mir geachtet werden möchte.
Und das habe ich für mich begriffen; dass ich nicht nur nehmen kann, sondern auch geben muss, um in der Ehe ein Gleichgewicht zu erhalten. Ohne die Liebe wäre mir das gar nicht möglich. Und ohne Selbstliebe wäre ich mit meinem Mann sicher nicht zusammen gekommen.
Ja, ich hätte nicht einmal erkannt, welches Goldstück mir da begegnet ist!
Ich sehe selbst, dass meine Ausführungen berechnend klingen, doch das scheint zu mir zu gehören. Dann bin ich eben berechnend, obwohl ich das in meiner Vorstellung von mir natürlich niemals sein wollte.
Meine Gefühle kann ich nicht in Worte fassen, obwohl ich ganz sicher ein warmherziger Mensch bin.
Berechnung wird immer mit Kälte verbunden.
Ich glaube, da haben wir uns so ziemlich arg ins “Boxhorn jagen“ lassen in den vergangenen Jahrzehnten.
Immer wird von „kalt und berechnend“ gesprochen und wir nehmen es auch noch unwidersprochen so hin.
„warm und berechnend“ habe ich noch nirgends vernommen.
Es kann also nicht sein, was nicht sein darf?
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