Gabi, Alkoholikerin
liebe Freunde,
neulich, in einem Onlinemeeting, berichtete ein Freund von seinem Aufenthalt in
Bad Steben. Auha! Dachte ich – Bad Steben?!
Da fallen mir doch gleich meine alkoholischen Sünden wieder ein!
In den 70ern waren mein damaliger Mann und ich noch im Kegelverein. Wir
waren ein Kollegenkreis mit Anhang. Mehr Spaßkegler und weniger “Verein“.
Von der Kegelkasse machten wir dann immer schöne und preiswerte
Wochenendtouren, meist mit dem Bus.
Unter anderem dann eben einmal zur Winterzeit, nach Bad Steben.
Auf der Hinfahrt soffen wir schon gemütlich unser Bier und/oder andere
Mixgetränke, so dass wir bei der Ankunft bereits unsere Pegel weg hatten.
Samstag früh begann das Programm, direkt nach einem guten Frühstück, bei dem
ich mal wieder mit meinem Kater zu kämpfen hatte und entsprechend wenig
essen konnte.
Danach waren wir geladen zu einem Kegelwettbewerb. Das erste Bier floss bei
mir nicht gar so gut – beim zweiten gings schon besser. Mittags saßen wir
wieder beieinander – gutes Essen – und – wieder Bier. Nach der Mahlzeit
musste natürlich ein Verdauungsschnäpschen her! Das Essen rutscht ja sonst
so schwer.
Da wir noch etwas Zeit hatten bis zum nächsten Programmpunkt, spendierte
einer sogar noch einen weiteren Schnaps. Und so traten wir leicht beschwingt
aber froh, unseren Verdauungsspaziergang durch Bad Steben an.
Es war kalt aber herrlicher Sonnenschein (soweit ich das noch erinnere). Wir
stapften durch den Schnee und alles war einfach nur schön.
Am Abend, beim gemeinsamen Abendessen, flossen wieder die Biere und nach und
nach auch die Magenschnäpse. Wir ließen uns die Würfelbecher bringen – jeder
kennt das – wer verliert, muss eine Runde ausgeben …
Freunde, ich schwöre Euch, ich habe auch danach nie wieder erlebt, dass es
jemand schaffte, einer gutgehenden Kneipe den Likör restlos weg zu saufen!
Unsere 16 Mann/Frau-Mannschaft tat es!
Och, ich konnte zu dieser Zeit schon einiges wegsaufen, ohne dabei zu
schwanken. Nur, leider wusste ich da auch noch nicht, wann es Zeit ist, die
Bremse zu ziehen – im Gegenteil – ich konnte nicht aufhören.
Während einer nach dem anderen endlich genug hatte und der Wirt auch so
langsam zum Feierabend einläutete, regte sich in mir der Widerstand – ich
wollte weitermachen!
Sogar mein Mann hatte genug und wollte nur noch ins Bett – aber nicht ich.
Nach einem kurzen Streit, setzte ich mich durch und blieb sitzen und alle
anderen, bis auf zwei oder drei, gingen in unser Hotel.
Der Wirt kannte kein Erbarmen und setzte uns verbliebene, störrischen
Schluckspechte kurzerhand vor die Tür.
Ja, was nun?
Ich hatte noch “Durst“ und es sah nicht danach aus, als ob ich da noch
irgendwo, irgendwie eine offene Kneipentür finden würde..
Einer fuhr mit dem Taxi davon. Soweit ich mich erinnere, wollte der mich
sogar mitnehmen. Aber soweit war ich anscheinend noch bei “Verstand“, mich
nicht in der Fremde noch weiter fort zu bewegen (der Mann war auch nicht
mein Typ).
So – da stand ich nun. Schlüssel hatte ich keinen, den hatte ja der Gatte
mit.
Es war Vollmond, herrlich weißer Schnee; ich betrunken, aber nicht genug, um
nicht zu merken, was ich mir da eingebrockt hatte. Mir war klar, dass –
trotz Mantel – wohl sehr bald das kalte Klappern über mich kommen würde.
Auch die Müdigkeit setzte sich langsam durch. Ich wollte nur noch ins Warme
und ins Bett, schlafen.
Es war ein komisches Gefühl, da so in der Fremde vor einem märchenhaft
anmutenden Hotel, im Schein des Vollmondes zu stehen und dabei zu wissen –
ich komm nicht rein, während alle anderen in warmen Räumen und kuscheligen
Betten liegen…
Was nun und was tun?
“Hallo! Schorsch!! – Nichts –
“Hallllloooooooo – hört mich jemand?“
Da! Ein Licht geht an! Hoffnungsschimmer und ich rufe noch einmal.
Das Licht geht wieder aus – nichts rührt sich.
Mir dämmert, dass ich die Nacht wohl draußen verbringen muss. Entmutigt
entdecke ich eine Bank in der kleinen Anlage vor dem Hotel, setze mich
vorsichtig und starre die Fenster an. Kälte kriecht an mir hoch. Aber ich
versuche dem Ganzen noch was Schönes abzugewinnen, weil das Bild, das sich
mir bietet, wirklich traumhaft schön anmutet. Und enttäuscht bin ich, weil
mich keiner zu vermissen scheint (keiner hat mich lieb).
Mein Glück – der Nachtbummler kommt mit dem Taxi zurück! Der hat nämlich
auch keine Kneipe mehr gefunden – und der hat einen Schlüssel!
Die Pointe dieser Erfahrung für mich ist:
Beim Frühstück, vor Antritt unserer Rückreise, erklärt mir doch die
Kegelkollegin D., sie hätte mich sehr wohl gehört in der Nacht (aha – da, wo
das Licht anging), sich jedoch gedacht: “Wer nicht hören will, muss eben
fühlen“ und sich wieder hingelegt.
“Patsch!“ Das hat gesessen. Da blieb mir der Mund offen stehen – a, wegen
dieser entwaffnenden Ehrlichkeit und b, weil sie es “übers Herz“ brachte,
mich draußen in der Kälte stehen zu lassen. – Und wohl auch noch ihre Freude
daran hatte?
Das ging mir jahrelang nicht aus dem Kopf – so viel Boshaftigkeit hätte ich
der nicht zugetraut.
Erst viel später, als ich schon eine Weile trocken war und in meine Meetings
ging, begann ich mich damit mal ehrlich auseinanderzusetzen – ehrlich mit
mir selbst!
Mir ist heute klar – diese Frau hat es wohl -gut- mit mir gemeint und mir
aufzeigen wollen, was ich durch -mein- Verhalten mir selbst eingebrockt
hatte.
Dass ich Alkoholiker bin, wusste sie nicht und ich auch noch nicht zu diesem
Zeitpunkt.
Ja, ja … lach.. ich bin schon “eine ganz Liebe“ aber genauso ein
(unverbesserlicher ?) Sturkopf eben auch. 😉
Es stimmt schon, dass sich mit der Trockenheit auch die Gedankengänge
ändern, was sich auf meinen neuen Alltag auswirkt.
Stünde ich heute mit einer Kegelgruppe in Bad Steben – ich würde es
genießen, mit klarem Kopf; mir die schöne Umgebung ansehen, fotografieren –
auch ohne Kamera – auf meiner Speicherplatte der guten Erinnerungen
abspeichern. Das wiederum wirkt sich stark auf mein inneres Gleichgewicht
und Wohlbefinden aus.
Fazit: Ohne diese strenge Maßnahme, damals, jener D., die mich tief
getroffen hat und immer wieder auch beschäftigt, da ich voller Empörung war
“wie konnte sie nur so gemein sein!!!“ – fürchte ich, dass ich Bad Steben
längst wieder vergessen hätte und nie eingesehen, worin mein Irrtum bestand.
Danke für’s Lesen und für Eure Geduld
gute, achtsame 24 Stunden
Gabi