Hallo Freunde,
ich bin Gabi, Alkoholikerin
geboren bin ich in Berlin (Friedrichshain), aufgewachsen auch dort, bis zum Mauerbau (13.8.61) – dann flüchtete meine Mutter mit mir, über die Oberbaumbrücke, rüber in den Westen. Ich war 10 Jahre alt und es war das größte Abenteuer für mich – in jeder Hinsicht – da der Alkoholismus bei uns “Zuhause“ war.
Als Kind, umgeben von lauter Trinkern, das war kein Vergnügen, wahrlich nicht!
Wieso begann ich dann trotzdem eines Tages, selbst zu Alkohol zu greifen?
Das wollte ich, bis ich 16 war, selbst nie, weil ich zutiefst verachtete, was um mich herum geschah.. und alles unter Alkoholeinfluss. Meine Mutter war nicht wiederzuerkennen, wenn sie betrunken war – abscheulich, was da zum Vorschein kam… wieso ich dann später auch?
Heute sehe ich das ganz pragmatisch – bei mir waren die Umstände andere und das war gesellschaftlich in Ordnung. Ich war verheiratet; wir standen wirtschaftlich gut da; das Familienleben (Mann und zwei Kinder) funktionierte, wie die meisten in unserem Umfeld.
Aber der Schein war trügerisch, so dass ich prompt darauf heringefallen bin, bis es eines Tages zu spät für die Umkehr war – ab da war ich schon abhängig vom Alkohol, auch wenn ich es mir meist nicht eingestehen wollte. Ich suchte nach Erklärungen, nach Gründen..
Dank meiner Mutter, versuchte ich aber nicht, andere Menschen für -mein- Trinken verantwortlich zu machen – auch nicht die Umstände – denn das war immer, so lange ich denken kann – die erste Ausrede meiner Mutter, warum sie angeblich trinken musste. Neien .. so war das bei mir nicht – schließlich war ich nicht so wie meine Mutter – niemals!
Dabei wollte ich doch auch nur ein “rechtschaffenes Leben“ führen.
Mit zunehmenden Alkoholkonsum steigerte sich hingegen nur meine Abenteuerlust und meine innere Rebellion. Gott war plötzlich ungerecht und an ihn wollte ich nicht mehr glauben. Mein Mann war auch ungerecht und lieblos – der einzige Trost für mich, war der Alkohol. Er wärmte mich, er machte mich schöner, machte, dass ich mich innerlich abschotten konnte gegen den Rest der Welt. Er schuf mir meine eigene Welt. Die reale Welt war viel zu anstrengend für mich. Der Alltag war mir Belastung ohne Ende. Ich hatte depressive Anwandlungen und wollte mein Trinken – also mich – dafür nicht verantwortlich fühlen.
Aber ich wusste, dass mit MIR was nicht stimmte – aber was?
Ich begann, mich zu vergleichen, mit anderen Trinkern aus meinem Bekanntenkreis – nein, SO war ich nicht – ICH doch nicht! Und so, wie meine Mutter, würde ich auch NIE werden … trotzdem … irgendwas geschah mit mir, von dem ich nicht wusste, warum das ausgerechnet mir passierte, immer und immer wieder und sogar mein Lachen verschwand im Laufe der Jahre – ich fand einfach nichts mehr lustig oder komisch.
Ja, der Alkohol hatte mich verändert, kann ich heute sagen.
Über meine Arbeit versuchte ich mich noch aufzuwerten – da wollte ich nicht auch noch versagen. Aber auch da wurde es für mich zunehmend schwerer, meine Trunksucht zu verbergen.
Während ich trank, wurde ich nie müde. Wenn ich dann betrunken war und endlich zur Seite in den Schlaf fiel, dann brauchte ich viele Stunden, um so einigermaßen zu mir zu kommen. Dass mich das nie den Arbeitsplatz kostete, erscheint mir heute noch merkwürdig.
“Krankfeiern“ lag mir nicht, dazu war ich zu feige. Wie hätte denn DAS ausgesehen? In meinem Kollegenkreis gab es einige, die das taten und ich bekam davon mit und auch davon, wie die anderen Kollegen und sogar der Chef darüber lästerten – nee – so doof war ich nicht!
Eines Tages hatte ich keine gute Entschuldigung mehr für meine Fehlzeit. Das war Ostern 1990. Direkt nach den Feiertagen hätte ich meinen Frühdienst um
8.00 Uhr antreten sollen. Diesen verschlief ich nach meiner letzten Sauftour, schlief durch, bis Mittwoch früh – und hatte keine gute Erklärung dafür, warum ich es nicht schaffte, mich wenigstens telefonisch “krank“ zu melden.
So hörte ich mich an jenem Mittwoch, dem 18. April 1990, plötzlich sagen am Telefon zur Kollegin: “Ich glaube, ich bin Alkoholiker … “
Das war für mich der erste Schritt in mein neues, alkoholfreies Leben.
Ich bin überzeugt, dass ich vorher kein besseres Leben kannte, auch nicht als Kind!
Ja, ich habe Freude am Leben und bin für jeden Tag dankbar.
Und wenn ich doch mal ärgerlich bin – dann denke ich an unseren Gelassenheitsspruch – und meine Stimmung passt wieder :-).
“Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!“
Komm wieder, es funktioniert!
Als Alkoholiker kann ich mich mit einer Kartoffel vergleichen: Erst als ich im Dreck lag, gingen mir die Augen auf!
Alles Liebe und gute 24 Stunden
Gabi